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Die Historie

Formen und Stilelemente der traditionellen afrikanischen Kunst haben schon Pablo Picasso und andere europäische Künstler fasziniert und inspiriert.

Skulpturen aus Zimbabwe inspirieren die Kunst auf der ganzen Welt

Seit mehr als sechs Jahrzehnten machen sie schon von sich reden: Die Bildhauerinnen und Bildhauer aus Zimbabwe, die mit einfachsten Werkzeugen die typischen Steine des Landes, Serpentine und Opale, zum Sprechen bringen.

Diese Steinskulpturen finden immer mehr Liebhaber und Sammler, die dem Reiz der eigentümlichen Formensprache erliegen. „Ihre Schöpferinnen und Schöpfer zählen zu den Besten des Faches“, urteilt Kunsthistoriker Thomas Hengstenberg.

Am Beginn dieser einzigartigen Bewegung standen Männer wie Fanizani Akuda, Edward Chiwawa, Bernard Matemera, Henry Munyaradzi und Nicholas Mukomberanwa. Sie zählen zur sogenannten ersten Generation der Bildhauer in Zimbabwe.

Arbeiten dieser Künstler wurden bereits vor vielen Jahrzehnten in zahlreichen internationalen Ausstellungen gezeigt, unter anderem im Musée d’Art Modern/Paris, dem Museum of Modern Art/New York (1968), dem Musée Rodin/Paris (1971), dem Kresge Art Museum/Michigan, USA, dem Millesgarden Museum/Stockholm, den Royal Botanic Gardens/London und anderen. Auf der Biennale in Venedig erhielten sie vor einigen Jahren einen eigenen Pavillion, auf den Weltausstellungen in Sevilla und Hannover sorgten sie für Aufsehen.

Kein Zweifel: Die Künstler Zimbabwes haben etwas Ungeheures angestoßen und zugleich Monumentales geschaffen. „Sie sind ein Sonderfall – nein, sie sind ein Glücksfall für die zeitgenössische Kunst“, bestätigt Kunsthistoriker Thomas Hengstenberg.

Es kann sehr faszinierend sein, sich in die Bild- und Formensprache der afrikanischen Künstler hineinzuversetzen und Bezüge zu ihren traditionellen Wurzeln und ihrer Mythologie herzustellen. Das ist jedoch keine Voraussetzung, um sie zu verstehen und um Gefallen an den Objekten zu finden. Es genügt, sich einfach von ihrer Ästhetik ansprechen und von der Kraft ihrer Ausstrahlung begeistern zu lassen.

Formen und Stilelemente der traditionellen afrikanischen Kunst haben schon Pablo Picasso und andere europäische Künstler fasziniert und inspiriert. Die aus dieser Inspiration hervorgegangenen Werke der westlichen Moderne lassen uns heute so viele der zeitgenössischen zimbabwischen Skulpturen so vertraut erscheinen. Wie umgekehrt viele der Skulpturen aus Zimbabwe den Betrachter an die plastischen Arbeiten von Max Ernst, Pablo Picasso, Paul Klee, Henry Moore und anderen erinnern.

Betrachtet man die noch junge Geschichte der Bildhauerei in Zimbabwe, dann lassen sich durchaus unterschiedliche Epochen identifizieren. Kunsthistoriker sprechen in diesem Zusammenhang von drei Generationen der Bildhauerinnen und Bildhauer, wobei sich inzwischen bereits ein vierte Generation anschickt, die Kunstwelt zu erobern. Die meisten Gründerväter wie Fanizani Akuda, Bernard Matemera, Henry Munyaradzi und Nicholas Mukomberanwa sind inzwischen verstorben. Ihre Arbeiten werden von der Fachwelt mit den bedeutendsten Bildhauern unserer Zeit verglichen. Der Wert ihrer Arbeiten ist immens gestiegen. Die Skulpturen werden teuer gehandelt, nachdem sie von Kunstsammlern und Museen entdeckt worden sind.

Die Bandbreite der aktuellen Formensprache ist so groß wie die unterschiedlichen Handschriften der großen Künstler, die die Kunst der Bildhauerei immer weiter vorantreiben. Waren es am Anfang mehrheitlich realistische und erkennbare Figuren, so entwickelten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit Talenten wie z. B. Perlagia Mutyavaviri, Prosper Katanda, Washington Matafi auch eine neue, moderne und abstrakte Formensprache.

Dr. Jörg Bockow

Kakoma Kweli, Ritual Dancer

Kakoma Kweli, Ritual Dancer
Ausstellungsplakat von 1971 Sculpture Contemporaine des Shonas d‘ Afrique, Musée Rodin, Paris, Frankreich. Skulptur von Nicholas Mukomberanwa

Ausstellungsplakat von 1971 Sculpture Contemporaine des Shonas d‘ Afrique, Musée Rodin, Paris, Frankreich. Skulptur von Nicholas Mukomberanwa.
Bernard Matemera, Woman Changing into a Bird

Bernard Matemera, Woman Changing into a Bird

Kunst aus Afrika – Die Ursprünge

Aus „dzumba dza mabwe“ (übersetzt: „Häuser aus Stein“) leitet sich der heutige Name ZIMBABWE ab. Es ist die einzige Region in Schwarzafrika, in der schon im 11. und 12. Jahrhundert großartige massive Bauten ohne Mörtel aus Steinen errichtet wurden. Bei der Restaurierung dieser Ruinen von „Great Zimbabwe“ fand man interessant gestaltete Vogelstatuen aus Stein. Es gab also schon früh Plastiker in dieser Region, die mit vorzüglich künstlerischen Fähigkeiten ausgestattet waren. In den Genen der Shona, der früheren ethnologischen Gruppierung des Landes, ist augenscheinlich etwas davon erhalten geblieben.

Wenn die ältesten Ursprünge zimbabwischer Plastik im Dunkel der Geschichte verschwinden, so lassen sich die Anfänge der zeitgenössischen Bildhauerei recht genau datieren. Es klingt wie ein Märchen: Der Held dieser Geschichte trägt den Namen Joram Mariga und übt den an sich wenig künstlerischen Beruf eines landwirtschaftlichen Beraters aus. Irgendwo am Straßenrand stößt Mariga im Jahr 1958 auf einen grünen Serpentinstein, dessen auffällige Farbe ihn fasziniert. Aus Langeweile beginnt er, ihn mit seinem Taschenmesser zu bearbeiten.

Ermuntert durch Patricia Pearce, eine weiße Künstlerin, die schon wiederholt in der Nationalgalerie ausgestellt hatte, legt Mariga seinen Stein dem neuen Direktor der Nationalgalerie, Frank McEven, vor. Der erkennt sofort das Talent und kreative Potential, das in dem Landwirtschaftsberater steckt. Er kauft ihm die Skulptur für 10 Pfund ab, eine für die damalige Zeit ungeheuere Summe. Gleichzeitig besorgt er Mariga Werkzeuge und ermuntert ihn, an der Nationalgalerie einen Workshop zum Thema Bildhauerei einzurichten. Mariga willigt ein. Er kehrt nach Nyanga zurück und gründet dort den „Nyanga Work Shop“. Er wird zum Lehrer einer ganzen Generation von Bildhauern. Keine 15 Jahre später werden die Bildhauer mit einer Ausstellung im Allerheiligsten der modernen Kunst gefeiert: im New Yorker Museum of Modern Art.

Tengenenge – das Künstlerdorf in Zimbabwe

Ein Ort macht weltweit von sich reden: Tengenenge wurde durch den Impuls des ehemaligen Tabakzüchters Tom Blomefield zum angesagten Künstlerdorf im Zimbabwe. Es war ausgerechnet ein Tabakzüchter, der nachdem ihm der Anbau von Tabak untersagt worden war seinen ehemaligen Mitarbeitern Steine überließ, damit diese daraus Skulpturen machten. Dabei spielte ihm in die Hände, dass auf seinem Grund große Vorkommen von Serpentin entdeckt wurden – das Ausgangmaterial für die Steinskulpturen.

Blomefield betätigte sich selber als Bildhauer, musste aber erfahren, dass seine Angestellten eine unvergleichlich größere Handfertigkeit und Kreativität an den Tag legten als er. Außerdem waren sie produktiver und fleißiger als er je war. Und so ermutigte er immer mehr Leute, sich in seinem Umkreis als Bildhauer zu versuchen. Tengenenge wurde quasi über Nacht zum Hotspot, wo sich Bildhauerinnen und Bildhauer trafen, austauschten, Steine besorgten und von wo aus auch viele der Künstler ihre Reisen in die ganze Welt antraten.

Tengenenge war und ist bis heute Dauer-Workshop, Künstlerkolonie, Kooperative, Galerie und Kommunikationszentrum in einem, auch wenn der Ort innerhalb der Künstlerbewegung des Landes inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Heute arbeiten in dem Dorf einige der Enkel der ersten Generation sowie Künstler aus anderen Teilen des Landes. Galeristen und Bildhauer aus der ganzen Welt besuchen bis heute gerne das bekannte Künstlerdorf und genießen die unvergleichliche Atmosphäre. Das Zentrum der Bildhauerei in Zimbabwe befindet sich heute in der Hauptstadt Harare. Kein Wunder, in der Hauptstadt ist der Austausch, mit den westlichen Galeristen besser zu bewerkstelligen, Verkauf und Transport lassen sich leichter organisieren und die Lebensbedingungen der Künstlerinnen und Künstler sind einfach besser und komfortabler.

Joram Mariga, Head

Joram Mariga, Head
Tom Blomefield vor seiner Hütte im Jahr 2002

Tom Blomefield vor seiner Hütte (2002)
Tengenenge Art Centre

Tengenenge Art Centre